Machtverteilung und Erfolg

Wirtschaftssysteme und die Machtverteilung: Vom Eigentum zur Kooperation

Die gescheiterte Kooperation – Wie Machtkämpfe eine Genossenschaft spalteten

(TL). In einem kleinen Ort in Norditalien entstand einst ein vielversprechendes Projekt: die Lebensmittelgenossenschaft „TerraVerde“ (Anm.d.Red.: Name geändert). Gegründet von Bauern, Handwerkern und Aktivisten, hatte TerraVerde das Ziel, das Wirtschaften in der Region zu revolutionieren. Statt sich von großen Konzernen und Preisdruck beherrschen zu lassen, wollten die Mitglieder gemeinsam den Markt beeinflussen und faire Bedingungen schaffen. Es schien wie der Traum einer gleichberechtigten Gemeinschaft – bis Machtkämpfe und Konkurrenzdenken das Projekt von innen heraus zerstörten.

TerraVerde entstand aus einer gemeinsamen Vision: Regionale Produkte direkt an die Menschen zu bringen, fair produziert und zu Preisen, die die lokale Landwirtschaft stärken sollten. Jeder hatte eine Stimme, und Entscheidungen wurden kollektiv getroffen. „Wir wollten zeigen, dass es auch anders geht – dass eine Gemeinschaft stärker sein kann als Konzerne und Zwischenhändler“, sagt Anna, eine der Gründungsmitglieder. Sie erinnert sich an die Aufbruchstimmung, die die ersten Jahre prägte. Bauern, die früher unter der Dominanz der Supermärkte litten, fanden in der Genossenschaft endlich fairen Absatz und fühlten sich als gleichwertige Partner.

Doch mit dem Erfolg kamen auch neue Herausforderungen. „Die Nachfrage explodierte, und plötzlich standen wir unter Druck, mehr zu liefern, als wir konnten“, erklärt Marco, ein Olivenbauer und Mitglied der Genossenschaft. TerraVerde musste schnell expandieren, um mit der Nachfrage Schritt zu halten, und beschloss, neue Mitglieder aufzunehmen. Damit begann das System, das auf Kooperation und Gleichheit aufgebaut war, zu bröckeln.

Mit der Expansion stieg der Einfluss einiger weniger Akteure, die über größere Landflächen und mehr Kapital verfügten. Bald hatten einige der neuen Mitglieder ihre eigenen Interessen, die wenig mit den ursprünglichen Zielen der Genossenschaft zu tun hatten. Diese Mitglieder setzten sich für weniger strikte Umweltauflagen und eine effizientere, ertragsorientierte Produktion ein. Während die traditionellen Mitglieder weiterhin auf biologische Vielfalt und nachhaltigen Anbau pochten, wollten die neuen Investoren höhere Gewinne und eine Konzentration auf die profitabelsten Produkte.

Die Konflikte spitzten sich zu, als eine Abstimmung über den Anbauplan des nächsten Jahres anstand. Ein Investor, der erst kürzlich zur Genossenschaft gestoßen war, forderte, dass TerraVerde sich stärker auf Olivenöl und Wein konzentriere, da diese international besonders gefragt seien und gute Gewinne versprachen. Die ursprünglichen Mitglieder hingegen wollten die Produktvielfalt beibehalten und weiterhin auch Getreide, Gemüse und Honig anbieten. Die Abstimmung wurde zu einem erbitterten Machtkampf – und der Investor setzte sich durch. Viele der kleineren Landwirte fühlten sich übergangen und waren schockiert, dass ihre Stimmen in der Genossenschaft weniger Gewicht hatten als die der Großinvestoren, die eigentlich nie Teil der ursprünglichen Vision gewesen waren.

Der Streit führte schließlich zur Spaltung. Ein Teil der Mitglieder verließ TerraVerde und gründete eine eigene kleine Kooperative, die jedoch wirtschaftlich nie an den Erfolg der ursprünglichen Genossenschaft anknüpfen konnte. TerraVerde existiert weiterhin, ist jedoch heute kaum noch von anderen Lebensmittelproduzenten zu unterscheiden. Die einst stolze Genossenschaft, die faire Preise und soziale Gerechtigkeit auf ihre Fahnen geschrieben hatte, wurde zum gewöhnlichen Betrieb, in dem Gewinnmaximierung und Machtkämpfe die einstige Kooperation ersetzten.

Anna ist heute desillusioniert, wenn sie über TerraVerde spricht. „Am Anfang dachte ich, dass Eigentum und Macht in einer Genossenschaft weniger Bedeutung haben würden. Doch selbst hier haben sich einige stärker durchgesetzt, und wir anderen wurden an den Rand gedrängt.“ Die Enttäuschung sitzt tief bei den Mitgliedern, die ursprünglich an eine wirtschaftliche Gemeinschaft geglaubt hatten. „Macht und Besitz, das zeigt unsere Geschichte, setzen sich immer irgendwie durch. Selbst dort, wo Kooperation und Gleichheit versprochen werden“, fügt sie hinzu.

Die Geschichte von TerraVerde zeigt, dass auch in Genossenschaften und gemeinschaftlichen Projekten die Versuchung besteht, Macht und Besitz über die Ideale der Kooperation zu stellen. Was einst als mutige Alternative zum kapitalistischen System begann, verwandelte sich in eine kleinere Version dessen, was es überwinden wollte – und erinnert uns daran, wie schwer es ist, ein Wirtschaftssystem wirklich neu zu gestalten, ohne dass sich alte Machtstrukturen wieder einschleichen.